Brémští muzikanti

Wer hat nicht schon von den Bremer Stadtmusikanten Esel, Hund, Katze und Hahn gehört? Leider können nur die wenigsten Schweizer die Hansestadt auf der Landkarte einordnen, dabei liegt sie in einem Dreieck mit Hamburg und Hannover.

ReiseBlickAm besten geht es mit dem City Night Line nach Bremen. Da der imposante Hauptbahnhof ausserhalb der einstigen Stadtmauern liegt, führt ein kurzer Spaziergang ins Zentrum. Seit der ersten Frühlingssonne zieht es Einheimische am Wallgraben in die Windmühle im holländischen Stil, inzwischen ein beliebtes Gartenlokal.

Entlang der Sögestrasse wurden früher die Schweine von der Bürgerweide zum Markt geleitet, heute dient sie als Fussgängerzone. Hier finden wir den Konditor Knigge, dessen Name uns irgendwie an gutes Benehmen erinnert. Das eigentliche Herz der Stadt beginnt bei der Mündung der Einkaufsstrassen in den Marktplatz in Höhe des exquisiten Chocolatiers Hachez. Weithin sichtbare Dominante ist der 99 m hohe frühgotische St.-Petri-Dom, in dessen Bleikeller noch heute einige Mumien zu bestaunen sind.

Am Marktplatz sind gleich zwei Denkmäler auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes zu finden. Zunächst die Statue des Schutzpatrons Roland, seit 600 Jahren Wahrzeichen und Symbol für das selbstständige Bundesland. Als zweites das prächtige Rathaus aus dem 16. Jahrhundert im Stil der Weserrenaissance mit beliebtem Weinkeller und den Bremer Stadtmusikanten auf der Westseite. Schweizer Fussballfans mögen sich erinnern: Raphael Wicky, Ludovic Magnin und Wynton Rufer liessen sich bereits mehrfach auf dem Balkon anlässlich der Meisterschaft und Pokalsiege von Werder Bremen feiern.

Hinweisschilder führen in die Böttcherstrasse, ein kleines Kulturviertel zwischen dem Marktplatz und der Weser. Der Gründer von Kaffee Hag und Erfinder des koffeinfreien Kaffees, Ludwig Roselius, liess die Gasse mit ihren roten Backsteinhäusern, den Kunsthandwerkstätten und dem Glockenspiel errichten. Hier serviert das niedliche Bremer Tee-Handels-Kontor nicht nur jedem Besucher frischen Ostfriesentee, sondern hat gleich einen freundlichen Schnack für die Stammgäste parat. Wir machen einen Test bei der alteingesessenen Taxiunternehmerin Renate Fischer: das Märchen der Stadtmusikanten erzählt sie spontan und lebhaft ohne zu zögern.

Von der Böttcherstrasse sind es nur ein paar Schritte bis zum Schnoor, die herzigste Gasse der Kaufmannsstadt. Wo seit dem 13. Jahrhundert das Schiffshandwerk zu Hause war, sind heute pfiffige Souvenirideen zu finden. Die Bremer Stadtmusikanten sind immer dabei, manche Plakate zieren die B-Mannschaft mit Schwein, Huhn, Fisch und Schmetterling. Drei Highlights liegen im Schnoor gleich nebeneinander: das winzige Teestübchen, das niedliche Katzencafé und das Hochzeitshaus mit nur einem Doppelzimmer.

Inzwischen ist sich Bremen auch seiner Lage an der Weser wieder bewusst. An der so genannten Schlachte haben sich in den letzten Jahren immer mehr gemütliche Kneipen und Restaurants wie an einer Schnur niedergelassen. Und Grund zum ausgelassenen Feiern gibt es auch im angeblich so trockenen Norden immer wieder. Bremen ist auf jeden Fall eine Entdeckung wert. Eigentlich auch für die Bremer Stadtmusikanten, die es im Märchen bekanntlich nie nach Bremen geschafft haben.

Veröffentlicht in ReiseBlick (Zürich), Ausgabe 3/2008, Juni 2008, Seite 32/33

Besuch bei den Bremer Stadtmusikanten (PDF)